Als kleines Mädchen träumte ich davon, dass ein riesiger, bunter Regenbogen die ganze Welt umarmt. Er bestand aus unzähligen Farben, die ich mir wiederum als Gegenstände vorstellte. Das zarte Rosa war zum Beispiel Erdbeereis. Das Gelb war Zitronenlimonade, das Weiß war sauberer Schnee, das Grün war eine riesige, duftige Wiese und das Blau war der Sommerhimmel.
Als ich im Teenageralter war, verschwammen die Farben ein wenig. Das Rot vermengte sich mit dem Gelb und wurde zu Orange, welches ich mir als riesige, Apfelsine vorstellte. Das Weiß vermengte sich mit dem Grün und wurde zu zartem Mint, welches ich mit Waldmeistereis verband. Das Blau verteilte sich über sämtliche Farben und wurde zu einem schmutzigen Grau, welches mich traurig machte.
Als ich eine junge Frau war, gab es in meinem Regenbogen nur noch ein dunkles Rot, welches mich an Blut erinnerte und das eintönige Grau, das für Krieg stand. Der Regenbogen verschwand immer mehr und die Welt um mich herum wurde immer realistischer.
Als ich eine Frau im mittleren Alter war, gab es plötzlich keinen Regenbogen mehr. Die Farben hatten sich alle zu einem Brei vermengt und bestanden nun nur noch aus verschiedenen Grautönen. Ich hatte keine Phantasie mehr, mir in diesen Farben etwas schönes vorzustellen und ich wünschte mich immer mehr in meine Kindertage zurück, in denen ich die Welt durch große Kulleraugen sah.
Als ich eine alte Frau war und starb, war der Regenbogen plötzlich wieder da..... umhüllte mein Grab und gab mir den Glauben daran zurück, dass die Menschheit aus ihren Fehlern lernen würde, damit alle Lebewesen auf dieser Welt einen eigenen kleinen Regenbogen bekamen.
Geschichten
Regenbogentraum
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- Geschrieben von © Andrea Koßmann