Kossi's Interview-Welt mit Frank Jöricke
Interview mit Frank Jöricke








Frank Jöricke

Seine Tätigkeit als Werbetexter hat Frank Jöricke (*1967) aus Trier nicht geschadet. Im Gegenteil, zeichnet sich doch seine Sprache nicht nur für ein Romandebüt durch ihre Treffsicherheit und lebendige Fabulierkunst aus.

Erweitert um den Blick des Texters, der schon von Berufs wegen immer ein genaues Sensorium für die kleinen und großen Widersprüche des Lebens haben muss, verfällt er dennoch nicht dem Zynismus. Dies ist wohl weniger der neuen Ernsthaftigkeit als dem nostalgischen Wohlwollen zu verdanken, das einen erfasst, wenn die eigene Jugend- und Adoleszenszeit langsam aber sicher zu Geschichte wird. Frank Jöricke hat sie aufgeschrieben.

Übrigens zog er mit einem Auszug aus dem Buch 2005 bis ins Finale des Poetry Slams in Trier.

Ansonsten gilt Jöricke als der Entdecker von Guildo Horn, arbeitet nebenbei als Bad-Taste- und Ü-30-DJ, ist Ex-Fußballschiedsrichter und manischer Blutspender (50 x in 13 Jahren) – dabei ist sein Buch alles andere als anämisch!

Bisher veröffentlichtes Buch:

„Mein liebestoller Onkel, mein kleinkrimineller Vetter und der Rest der Bagage“
ISBN-Nr.: 3932927338
Homepage des Autors: www.solibro.de



Hallo Frank ! Zunächst einmal freut es mich sehr, dass Du zu einem Interview mit Kossis Welt und den Usern von www.lovelybooks.de zugestimmt hast und heiße Dich herzlich willkommen hier in meiner kleinen Lyrik-Welt. Als aller erstes interessiert uns, wie die Idee zu diesem Buch entstanden ist.
Alle reden immer vom Zeitgeist. Aber Zeitgeist ist das, was in Großstädten passiert. Mich hat interessiert, was vom Zeitgeist übrig bleibt, wenn er in der Provinz ankommt. Nehmen wir zum Beispiel die „Kommune 1“, die 1969 die freie Liebe gefeiert hat. Die Zeitschriften haben damals groß darüber berichtet. Das heißt: Selbst in Kleinstädten wussten die Leute Bescheid. Dennoch haben die Einwohner von Bad Salzuflen oder Lippe-Detmold danach keine Kommunen gegründet.


Wie bist Du auf den, doch sehr langen, Titel gekommen? Hast Du ihn selbst ausgewählt oder wurde er Dir vom Verlag vorgegeben?
Mein Verleger wollte wissen, worum es in dem Buch eigentlich geht. Ich antwortete: „Um einen liebestollen Onkel, einen kleinkriminellen Vetter und den Rest der Bagage.“ „Da hätten wir ja schon einen Titel!“, entgegnete mein Verleger.


Wie ist der Kontakt zum Verlag (www.solibro.de) entstanden und wer hat letztlich darüber entschieden, dass das Buch in Druck gehen soll?
Bei Solibro veröffentlicht mein Lieblingsautor Helge Timmerberg. Also sagte ich mir: „Ein Verleger, der solch einen Autor im Programm hat, MUSS gut sein.“ Ich habe mein Buch dorthin geschickt, er hat es gelesen, und es hat ihm gefallen.


Wie lange hast Du an dem „liebestollen Onkel“ geschrieben?
Insgesamt knapp drei Jahre. Für jedes Kapitel, also jedes Jahr, habe ich anderthalb bis sechs Wochen gebraucht.


In Deinem Buch sind sehr viele Dinge beschrieben worden, die bereits vor Deiner Geburt stattfanden. Wie sahen Deine Recherchen dahingehend aus?
Mein Dank geht an die Firma Google, ohne die gerade die Detailrecherchen gar nicht möglich gewesen wären. Auch die Jahreshefte des STERN (ein Jahr komprimiert auf 32 Seiten), die 1997 erschienen, haben mir geholfen. Und nicht zuletzt interessiere ich mich schon lange für das, was in meinen zehn ersten Lebensjahren auf der Welt so passiert ist. Daher wusste ich bereits einiges über die Zeit von Ende der 60er bis Mitte der 70er, als ich anfing zu schreiben.


Wie viel Frank Jöricke steckt in dem Buch?
In jedem der Charaktere steckt ein wenig von mir… Na ja, in der Tante vielleicht nicht. Die Handlung selbst ist größtenteils erstunken und erlogen – was sehr viel Spaß gemacht hat.


Gibt es reale Vorbilder für die Hauptdarsteller?
Ich wollte extreme Charaktere beschreiben, daher ist vieles bewusst überzeichnet. Dass manche Leser mir nun bescheinigen, ich hätte ihren Onkel treffend beschrieben, schockiert mich. Offensichtlich ist die Wirklichkeit extremer als jedes Klischee.


Welche Kapitel des Buches gingen Dir leichter von der Feder? Bei welchen hattest Du etwas mehr Schwierigkeiten?
Die 70er zu beschreiben, war eine helle Freude, weil jedes Jahr etwas Herausragendes passiert ist. Die 90er hingegen waren eine harte Nuss, weil dieses Jahrzehnt so schwammig ist. Zu viele Phänomene, die sich überschneiden. Zu viele Dinge, die gleichzeitig stattfinden. Bei 1974 denken viele sofort an den Rücktritt von Willy Brandt oder den Gewinn der Fußball-WM, aber frage mal irgendjemanden, was 1995 oder 1996 passiert ist.


Bei dem Titel versteht es sich fast von selbst, dass es auch einige Szenen in dem Buch geht, in denen es sich um den Körperkontakt zweier Menschen handelt. Hattest Du ein Problem damit, sie so ausführlich und doch indirekt und humorvoll zu beschreiben?
Über Sex zu schreiben, war eine knifflige Sache. Ich wollte schließlich keinen Porno verfassen. Also habe ich eine bewusst gestelzte und verdruckste Sprache gewählt, die einerseits deutlich macht, was passiert, andrerseits genug Raum für die eigene Fantasie lässt.


Wer hat das wunderschöne Cover entworfen?
Von der Grafikerin Cornelia Niere aus München.


Es gibt inzwischen sehr viele Fans Deines Buches. Ist ein weiteres Buch von Dir in Planung?
Es gibt ein paar Ideen, aber ich möchte nicht zu viel verraten. Es gärt noch.


In Deinem Buch geht es in einem Kapitel um den Strichacht. Was ist Dein momentanes persönliches Traumauto?
Immer noch der Strichacht – leider rostet er schneller, als er fährt.


Dein Buch ist sehr humorvoll geschrieben. Wie können wir uns den privaten Frank Jöricke vorstellen? Bist Du ein sehr offener und humorvoller Typ oder eher still und zurückhaltend?
Mein Ex-Chef sagte mal: „Dein Mund will deinen Tod!“ Manchmal kommt mir der Gedanke: Er könnte recht haben.


Was hat es denn nun mit der Guildo Horn auf sich? In Deiner Kurzvita lesen wir, dass Du als sein Entdecker giltst. Wie kam das?
Ich habe den ersten Text über ihn und seine damals rein private Schlagerleidenschaft geschrieben; zu einer Zeit, als er noch Schlagzeuger in einer Rockabilly-Band war. Der Text erschien in einem Trierer Stadtmagazin, und die damalige Kulturreferentin der Uni Trier überredete ihn, doch mal mit Schlagern aufzutreten. So kam es im Juni 1991 zum ersten Auftritt von Guildo Horn & den Orthopädischen Strümpfen.


Hauptberuflich bist Du Werbetexter. Wie müssen wir uns einen ganz normalen Arbeitsalltag bei Dir vorstellen?
Ich redigiere die Übersetzung für einen Scanner, lasse mir ein paar Überschriften für den Flyer eines Modegeschäfts einfallen und telefoniere länger mit einem Bankangestellten, der mir erklärt, was es mit „Inflation Linkers“ auf sich hat, damit ich darüber einen Artikel für die Kundenzeitschrift seines Hauses schreiben kann. Mit anderen Worten: Es ist viel unspektakulärer und unglamouröser als viele glauben. Und koksen tu ich auch nicht.


Könntest Du Dir vorstellen, eines Tages hauptberuflich als Autor tätig zu sein?
Eher nicht. Für einen Werbetexter ist Perfektionismus kein Problem – die Texte sind kurz, das Ziel immer in Sicht. Für einen Autor ist Perfektionismus die Hölle – weil man viel zu langsam vorankommt. 1000 Tage für 250 Seiten. Wäre ich Harry-Potter-Autor säße ich immer noch am ersten Band.


Du hältst auch Vorlesungen ab. Bist Du es bereits gewohnt, vor vielen Menschen zu sprechen? Bist Du vorher und währenddessen aufgeregt?
Es macht mir Spaß, vor Menschen aufzutreten. In mir steckt eine Rampensau. Ein Robbie Williams im Westentaschenformat.


Was machst Du gerne in Deiner Freizeit? Gehört das Lesen auch zu Deinen Hobbys?
Ich bin eher der klassische Zeitschriften- und Zeitungsleser. Ins Kino zu gehen, macht mir meist mehr Spaß als zu lesen.


Hast Du Haustiere? Wenn ja, welche. Wenn nein, warum nicht?
Nein. Ich finde Menschen interessanter.


Was wären Deine drei Wünsche, wenn die berühmte Fee angeflogen käme, um Dir diese zu erfüllen?
Der Mensch ist ja bekanntlich nie zufrieden. Sobald seine Wünsche erfüllt sind, fallen ihm sofort neue ein. Daher finde ich es besser, wir lassen alles so, wie es ist.


Es hat mir superviel Spaß gemacht, das Interview mit Dir zu führen. Die Fragen wurden zusammen mit den Lesern von Kossis Welt und den Usern von www.lovelybooks.de zusammengestellt. Ich wünsche Dir weiterhin viel Erfolg mit Deinem „liebestollen Onkel“ und bitte bitte schreib bald ein neues Buch!!
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