Knapp am Herz vorbei von J. R. Moehringer 448 Seiten - S. Fischer ISBN: 3100496035 Meine Bewertung bei Amazon: Kurzbeschreibung lt. amazon.de: Wie in seinem wunderbaren Bestseller „Tender Bar“ erzählt J.R. Moehringer mit der Sprache des Herzens eine wahre Geschichte – vom Leben des beliebtesten Bankräuber aller Zeiten, Willie Sutton. New York, Weihnachten 1969. Willie Sutton packt seine Bücher ein und räumt die Zelle. Endlich Freiheit. Nach siebzehn Jahren. Doch die Zeit hat ihre Bedeutung verloren. Mit einem Fotografen und einem Reporter fährt er durch das verschneite New York auf den Spuren seiner legendären Vergangenheit: Die Kindheit im irischen Viertel, der erste Raub, dann 200 Banküberfälle, ohne je einen einzigen Schuss abzufeuern - und immer wieder Bess, die ihm das Herz brach. Wie ein Puzzle setzt sich Seite für Seite Suttons Leben zusammen. Was dabei Wirklichkeit und was Erfindung war, werden wir nie erfahren. Aber was macht das schon. Meine Empfehlung: Eine Perle der Literatur! Bevor ich mit dem Lesen dieses Buches anfing, wusste ich NICHTS über den Inhalt. Da ich aber von dem Debüt des Autors ('Tender Bar') bereits so begeistert war, wollte ich diese Geschichte nun auch lesen. Bereits die Vorbemerkung des Autors hielt mich aber dazu an, nach dem Hauptcharakter dieses Buches zu googlen. Denn der Name "Willie Sutton" war mir bis zu diesem Zeitpunkt gänzlich unbekannt. Aber anhand der Anmerkung klang es so, als würde die Geschichte rund um Sutton teilweise auf einer wahren Begebenheit beruhen. Und genau so war es dann auch. Im Internet fand ich heraus, dass Willie Sutton der bekannteste Bankräuber Amerikas in den 1920er Jahren war. Er raubte an die 100 Banken aus und 'verdiente' damit über 2 Millionen Dollar. Angaben, die eigentlich Angst machen sollten. Angst vor einem Menschen, der sich scheinbar skrupellos am Geld anderer Menschen bereichert. Doch dann fing ich an, die Geschichte zu lesen und wunderte mich, dass alles ganz anders kam. Willie Sutton wurde in der Weihnachtszeit 1969 unverhofft aus dem Gefängnis entlassen. Aber statt sich direkt in sein neugewonnenes Leben zu stürzen, fährt er zunächst mit einem Reporter und einem Fotografen (die im Buch schon fast liebevoll 'Schreiber' und 'Knipser') genannt werden, wichtige Stadtteile und Gebäude ab. Orte, an denen Sutton Teile seines Verbrecherlebens verbracht hat. Während die drei sich an den jeweiligen Orten aufhalten, verfolgen wir Suttons Gedankenwelt der Vergangenheit und lernen fast alles über sein Leben kennen. Und wenn man dieses Leben dann nach und nach kennenlernt, kann man irgendwann gar nicht anders, als mit dem eigentlichen Verbrecher zu sympathisieren. Er hatte eine schwere Kindheit und auch unschöne Dinge haben sein Leben immer wieder neu geprägt. Nicht zum Guten, denn sonst wäre er ja kein Bankräuber geworden. Und auch die Liebe zu Büchern konnte ihn nicht auf den richtigen Weg bringen. Die Literatur nahm einen hohen Stellenwert in seinem Leben ein und schon allein deshalb mochte ich Willie einfach. Ich hatte beim Lesen der Geschichte Verständnis für ihn. In der damaligen Zeit wurde er von den Amerikanern als Held gefeiert und genauso empfand auch ich ihn beim Lesen seines Lebens. Er versucht, aus dem Gefängnis auszubrechen und ich habe ihm die Daumen gedrückt, dass er es schafft. Er raubt Banken aus und ich habe gehofft, dass er nicht erwischt wird. Er lernt die Liebe kennen, verliert sie wieder und ich hoffte inständig, dass er sie irgendwo auf der Welt noch einmal finden möge. Den Schreibstil von J. R. Moehringer würde ich auf jeden Fall der 'upper class' zuordnen. Für mich war die Geschichte eine wahre Perle in der Literatur, die verlangte, langsam gelesen zu werden. Diesen Wunsch habe ich ihr erfüllt und für meine Verhältnisse sehr lange an diesem Buch gelesen. Ein Buch, bei dem ich dazu überging, mich mit dem Leben von Sutton mehr beim Nichtlesen zu beschäftigen, als beim Lesen. Ich las immer nur ein paar Seiten und war dennoch gefangen in dem Leben dieses Menschen, das mir auch jetzt noch keine Ruhe lässt. Die Geschichte zeigt auf, dass man nur ein Leben hat und dass man es so gut wie möglich nutzen sollte. Nein, damit meine ich ganz sicher nicht, dass man Banken ausrauben sollte, aber dass man sich immer sagen sollte, dass man dieses oder jenes schafft. Man muss an sich selber glauben. Das ist das Wichtigste. Zitat aus dem Buch (Seite 350): "Die meisten fliehen nicht aus dem Gefängnis, weil sie glauben, es geht nicht. Man trichtert ihnen tagtäglich ein, dass es nicht geht - die Aufseher, der Anstaltsleiter, die Mitgefangenen. Und die äußeren Gegebenheiten - die Gitterstäbe und Mauern. Der erste Schritt bei einer Flucht ist der Glaube daran, dass man es schafft." Ein wunderbarer Satz, den man auf jede beliebige Situation münzen kann, in der man sich gerade gefangen fühlt. Aber es gibt auch Momente, aus denen man gar nicht ausbrechen möchte. In diesem Fall geht es mir so mit dieser Geschichte, die mich sicher noch lange in meinem Leserherzen begleiten wird. | |
zurück |