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Die Liebesblödigkeit Die Liebesblödigkeit
von Wilhelm Genazino
208 Seiten - Dtv
ISBN: 3423135409
Meine Bewertung bei Amazon:

Kurzbeschreibung lt. amazon.de:

Ein Mann geht durch die Stadt. Er betrachtet eine junge Mutter, die sich die Daumenspitze feucht macht, um ihrem kleinen Kind einen braunen Fleck aus dem Gesicht zu wischen. Er beobachtet eine offenbar verwirrte Frau, die nacheinander drei halbvolle Mülltonnen umwirft, um sie anschließend wieder aufzuheben. Er sieht zwei Halbwüchsige beim Versuch, eine Rolltreppe zum Stillstand zu bringen, kläglich scheitern. Und er liest im Schaufenster einer Pizzeria, dass es hier zwei Gerichte zum Preis von einem gäbe. Pech für den Mann, denn seine beiden Frauen kann er nicht mitnehmen ins Lokal: „Sandra mag keine Pizzen und Judith keine Stehlokale“. So ist es mit dem Leben des Ich-Erzählers in Wilhelm Genazinos Roman Die Liebesblödigkeit, eines Erzählers, der Spezialist für Apokalyptik ist und Seminare über die Prophetie vom Weltende gibt: Eigentlich hat er alles im Überfluss. Aber irgendwie will doch nichts so richtig zusammenpassen.


Meine Empfehlung:

Das Leben auf seine detaillierte Art

Während ich diese Rezension schreibe, surrt der Rechner unter meinem Schreibtisch. Ein Blick aus dem Fenster verrät mir, dass es ein regnerischer Tag werden wird. Also wieder nichts mit dem goldenen Herbst, auf den ich mich so freuen würde. Ein Mann geht gerade mit seinem Hund spazieren. Der Hund reißt an der Leine und würde sich wohl lieber losreißen und einen Marathon hinlegen, aber der Mann hält die Leine fest. Er trägt einen Schal beziehungsweise eine Mütze beziehungsweise beides.

Ihr wundert Euch über den eigenartigen Wortlaut dieser Rezension? Kein Wunder, ist sie doch vom Klang her völlig anders als alles bisher von mir Dagewesene. Ich habe lediglich versucht, den Schreibstil des Autors in diesem Buch nachzuahmen. Was mir natürlich nicht gelingen wird, denn Genazino schreibt mit Sicherheit einzigartig.

Ganz anders als alles, was ich bisher gelesen habe, ist dieser kleine Roman, der zwar lediglich 208 Seiten beinhaltet, jedoch mit soviel Handlung verführt, dass es mir leicht fiel, die Seiten zu lesen. Eigentlich mag ich Bücher nicht gerne, die mit wenig Absätzen auskommen und in denen die Seiten so arg voll geschrieben sind. Das ist auch in diesem Buch der Fall, aber dennoch schreibt Genazino so faszinierend, dass es dem Auge gar nicht auffällt.

Sehr detailliert beschreibt er das Leben eines Apokalyptikers, der seinen Lebensunterhalt damit verdient, Reden über genau dieses Thema zu halten. Zudem liebt dieser Mann zwei Frauen und ist auch mit beiden von ihnen zusammen. Natürlich wissen die Frauen aber nicht, dass es jeweils noch eine Nebenbuhlerin gibt. Das schlechte Gewissen plagt ihn und er will sich von einer der beiden Frauen trennen. Nur, von welcher? Der hypochondrisch veranlagte Mann überlegt sich die positiven und negativen Seiten dieser Menage à trois und lernt dabei vor allem eines kennen: Sich selber.

Sehr amüsant, mit genau der richtigen Portion Humor und Ironie beschreibt Genazino nun den "Leidens"-Weg des Mannes, der, zumindest mir, nie langweilig wurde. Auch wenn eben, wie oben beschrieben, sein Leben sehr detailliert aufgeführt wird. Dinge, die wir selber tagtäglich erleben, die aber immer unerwähnenswert bleiben, werden hier auf einmal interessant. Und für mich einer der besten Sätze in diesem Roman ist folgender, welchen Ihr auf Seite 121 finden könnt: "Dabei habe ich mir immer gewünscht, dass es meinem Vater einmal besser gehen sollte als mir." Ehrlich gesagt mußte ich den Satz zweimal lesen, weil ich kaum glauben konnte, wie herrlich Genazino diesen Satz umgestrickt hat.

Chapeau für diese Art der Erzählweise, die mir bislang verborgen blieb. Es war mein erstes Genazino-Werk, aber ich schiele schon nach weiteren. Die Ausflüge in diese außergewöhnliche Art der Literatur möchte ich mir nun öfter gönnen!

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