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Firmin - ein Rattenleben Firmin - ein Rattenleben
von Sam Savage
216 Seiten - Ullstein
ISBN: 355008742X
Meine Bewertung bei Amazon:

Kurzbeschreibung lt. amazon.de:

Firmin wächst im Keller einer Bostoner Buchhandlung auf und liest sich Buch für Buch durch die Weltliteratur. Er entdeckt, wie spannend das Leben der Menschen ist, und macht sich auf, ihre Freundschaft zu suchen. Sam Savage erzählt in diesem gefeierten Kultbuch die traurig-charmante Geschichte eines verkannten Außenseiters.




Meine Empfehlung:

Firmin – die philosophierende Leseratte

Von Anfang an ist das Leben der kleinen Ratte Firmin alles andere als ein Zuckerschlecken. Als 13. Kind seiner Mam hat er es nicht leicht, sich beim Milchtrinken gegen seine 12 Geschwister durchzusetzen. Seine Mam kann ihm nicht viel von der Welt da draußen beibringen, da ihre Lieblingsbeschäftigung der Suche nach Alkohol gilt. Dennoch wird Firmin irgendwie groß und das nicht allein dadurch, weil seine Mam ihm Buchseiten zu fressen gibt, wenn sie keine andere Nahrung findet. Der Rattenfamilie kommt es in dem Fall sehr zugute, dass sie direkt unter einer Buchhandlung leben und somit genug Futter vorhanden ist.

Doch nach und nach löst sich die Familie auf. Die Geschwister werde flügge und auch die Mutter von Firmin geht ihren eigenen Weg und so muss er sich alleine durchs Leben kämpfen. Er beobachtet die Menschen um ihn rum, studiert und analysiert sie gerade zu. Dabei vergisst er aber nie, in Bücher abzutauchen. Schon lange frisst er die Buchseiten nicht mehr auf, sondern liest sie nur noch. Die weltbekanntesten Bücher sind für ihn keine fremden Länder mehr und er bewegt sich sehr sicher auf dem Weg der Literatur.

Sein vermeintlich bester Freund wird der Buchladenbesitzer Norman, den Firmin während der Geschäftszeiten fast jede Minute im Auge behält und versucht, ihn und sein Handeln zu deuten. Eines Tages schauen sie sich sogar Auge in Auge an. Bis Firmin merkt, dass Norman ihn ja auch sehen kann, ist es schon fast zu spät, denn Norman möchte natürlich keine Ratte im Laden haben und versucht, der „Plage“ auf den Grund zu gehen.

In einer sehr einfachen Schreibweise führt uns der Autor durch die Geschichte der Literatur und lässt uns immer wieder kleine Einblicke in die ganz großen Bücher dieser Welt geben. Die Aufmachung des Buches ist eine ganz Besondere. Dachte ich anfangs noch, es würde sich versehentlich um ein Mängelexemplar handeln, so informierte ich mich im Internet und fand heraus, dass die „fisselige“ Schnittkante des Buches gewollt ist. So passt sie wunderbar zu dem restlichen, sehr antiken Look des Buches. Wenn man die Geschichte von Firmin kennt, wird man erkennen, dass es eine grandiose Idee ist, das Buch genau SO zu gestalten. Fast könnte man meinen, die Ratte sei „zu Besuch“ gewesen und hätte sich einen kleinen Leckerbissen gegönnt. Vor allem ist es eine sehr außergewöhnliche Idee, die mir bisher noch nie bei einem Buch „unter die Augen gekommen ist“.

Obwohl der Schreibstil von Savage sehr einfach ist, so kann man dennoch auch sehr gut zwischen den Zeilen lesen und erkennen, dass er persönlich Bücher lieben muss. Die Leidenschaft und Hintergründigkeit die hinter manchen Sätzen steckt, sticht nicht direkt ins Auge, sondern wird von einem leicht philosophischen Hauch berührt. Von daher könnte ich mir gut vorstellen, dass dieses Buch polarisieren wird. Entweder man liebt es, oder man findet es langweilig. Die eigene Einstellung zu Büchern und Menschen wird sicher auch wichtig sein, um in dieses Erstlingswerk des Autors abzutauchen.

Auch kann ich mich des Verdachtes nicht erwehren, dass es sich bei der Ratte Firmin um eines der eigenen Ichs des Autors handelt. Obwohl das Leben einer Ratte geschildert wird, so erleben wir dieses doch sehr menschlich und nachvollziehbar. Von absoluter Schüchternheit bis hin zu wagemutigen Annäherungsversuchen, über die Liebe zu Büchern bis hin zum Verlassenwerden von liebgewonnen Menschen durchleben wir mit Firmin Höhen und Tiefen, die auch in dem eigenen Leben des Autors Vorrang hätten haben können. Wahrscheinlich werde ich nie erfahren, wie viel Sam Savage letztendlich in Firmin steckt, aber ich kann zumindest sagen, dass ich ein kleiner Teil seines „Rattenlebens“ geworden bin und das letztendlich nicht nur, weil auch ich eine Leseratte und Menschenbeobachterin bin, wie sie im Buche steht.



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